OPERN-KRITIK: OPÉRA DE LYON – GUILLAUME TELL
Mobilmachung durch Musik
Rossinis Zukunftsmusik hat in Lyon ideale Interpreten
Selten wird ein mutiger Regiezugriff mit solcher Entschiedenheit musikalisch mitgetragen und bekräftigt. Ganz in seinem Element ist Lyons Musikchef Daniele Rustioni, der mit einem das Feuer des Dramas durch Differenzierung maximierenden Zugriff deutlich macht, wie sehr Rossini hier bereits Verdi vorbereitet. In dem dokumentierten Gespräch Rossinis mit Richard Wagner soll der Begriff der Zukunftsmusik gefallen sei. In Lyon spüren wir sie in jeder Faser der Partitur. John Osborn singt sich als Arnold in einen veritablen Höhenrausch, derzeit singt dem Amerikaner die tenorale Extrempartie niemand nach. Seine ganz natürlich wirkenden Messa di voce-Spezialeffekte sind ein Ereignis, die allein die Reise gen Frankreich wert wären. Jane Archibald veredelt die Koloraturen der Mathilde zu feinsten Ausdrucksmitteln, die Wärme ihres Soprans macht die die Seiten wechselnde Habsburgerin zu einer wahren Königin der Herzen. Nicola Alaimo ist ein baritonwarm sensibler Tell, der nie präpotent aufdrehen muss, um diesem Schweizer Wiedergänger des Hans Sachs prägnantes Profil zu verleihen. Welch ein großer, bewegender Abend.
Peter Krause, Concerti.de