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Zu wenig gehext
MACBETH

(Giuseppe Verdi)
Besuch am
16. März 2018
(Premiere am 13. Oktober 2012)
L’Opéra national de Lyon
Unterstrichen wird die vor allem in der zweiten Hälfte eindrucksvolle Bühnenleistung durch das Orchester, das sich von dem jungen Daniele Rustioni am Pult immer wieder zu Höchstleistungen antreiben lässt. Transparent, pointiert und emotional wird die Geschichte aus dem Graben heraus erzählt. Da darf man sich so recht auf den bevorstehenden Höhepunkt des Wochenendes – die Premiere von Don Carlos – freuen.

Finstere Zeiten
DON CARLOS

(Giuseppe Verdi)
Besuch am
17. März 2018
(Premiere)
L’Opéra national de Lyon
Rustioni konnte bereits mit Macbeth begeistern, bei dem Schwergewicht von Don Carlos legt er noch einen drauf. Elegant weiß er zu akzentuieren, bedrängt die Sänger nicht und hält die Spannung in der Musik mit dem Opernorchester über die gesamte Länge des Abends. Das Ergebnis harter Arbeit klingt leichtfüßig, ohne an die Oberfläche zu strudeln. Darüber täuschen auch ein paar kleinere Patzer der Musiker nicht hinweg, denen man es nicht einmal verdenken könnte, wenn sie Konditionsschwächen zeigen. Dass dem nicht so ist, werden auch sie bei Attila zeigen. Formidabel!

Aufregendes Dirigat
ATTILA

(Giuseppe Verdi)
Besuch am
18. März 2018
(Premiere)
L‘Opéra national de Lyon, Auditorium Orchestre national de Lyon
Daniele Rustioni ist derjenige, der das Konzert zu einem Ereignis werden lässt. Schon an den Vorabenden war der Generalmusikdirektor mit seiner Einfühlung in die Verdi-Musik aufgefallen. Aber wie arbeitet ein Dirigent, um diesen Effekt zu erzielen? Am Pult im Konzertsaal wird sein Einsatz offenbar. Und fasziniert das Publikum. Fein durchsticht er die Luft, um Passagen zu unterstreichen, geht in die Knie, nimmt das Orchester mit in einen Rausch. Das klingt übertrieben und mag ihm auch so erscheinen, wenn er sich wie teilnahmslos nach seinem Einsatz wieder an die Reling lehnt. Um sich gleich darauf wieder um die Sänger zu kümmern. Sie in den Sog des Geschehens hineinzuziehen. Wie er auch den Chor mit vollem Körpereinsatz aufruft, der wieder einmal bestens vorbereitet, dieses Mal von Barbara Kler, agiert. Die Arbeit, der Affekt des Dirigenten, der nah an der Obsession liegt, aber nicht für die Ränge dirigiert, fasziniert das Publikum in der zwei Stunden dauernden Aufführung.
Das ohnehin extrem begeisterungsfähige Lyoneser Publikum hält sich in dieser musikalisch hervorragenden Produktion noch weniger zurück und lässt es sich nicht nehmen, die Arien einzeln mit Bravo-Rufen und Zwischenapplaus zu belegen. Nach dem Tode Attilas und drei Aufführungen verschiedener Produktionen in Folge steht ein erschöpfter, aber auch glücklicher Daniele Rustioni einen Moment länger als erwartet am seitlichen Türrahmen gelehnt, ehe er sich noch einmal in den rauschenden Beifall der Besucher wirft.
Und während die Besucher beglückt über einen wieder einmal außerordentlich geglückten Festivalauftakt von dannen eilen, geht es für die Künstler jetzt erst richtig los. Zahlreiche Vorstellungen warten noch auf sie. Da hilft wohl die Vorfreude darauf, dass sie auch in diesem Jahr ständig vor nahezu ausverkauftem Haus spielen, singen und musizieren werden.

O-ton.de, Michael S. Zerban

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